Unser Gehör: leistungsfähig und gefährdet

A. Aussenohr B. Mittelohr C. Innenohr
1. Gehörgang
2. Trommelfell
3. Gehörknöchelchen
4. Gleichgewichtsorgan
5. Innenohrschnecke
6. Basilarmembran mit Haarzellen
7. Hörnerv

Das Bild zeigt einen Querschnitt durch unser Hörsystem. Von aussen sind die Ohrmuschel und der Gehörgang zu erkennen. Dann folgt das Trommelfell, das den Gehörgang als Membran gegen das Mittelohr hin abschliesst. Seine Bewegungen entsprechen den Druckschwankungen, die über den Gehörgang eintreffen. Diese Bewegungen werden mechanisch über die Knöchelchen des Mittelohres auf die Gehörschnecke im Innenohr übertragen. Die Schnecke hat nur gerade die Grösse einer Erbse. Sie enthält Flüssigkeit und ist in Längsrichtung durch die Basilarmembran unterteilt. Der Schall versetzt die Basilarmembran in Schwingungen: Die höchsten Töne lassen sie ganz vorne ansprechen, während tiefe Töne bis ins Innerste der Schnecke vordringen. Auf der Basilarmembran sitzen die eigentlichen Aufnehmer, nämlich die etwa 20’000 Haarzellen, die elektrische Impulse an die Hörnerven abgeben, sobald sich die Basilarmembran bewegt. Das Gehirn wertet diese Impulse bis ins feinste Detail aus.

Wie perfekt das Gehör funktioniert, zeigt sich

  • am riesigen Schallpegelbereich zwischen Hörschwelle und Schmerzschwelle, entsprechend einem Schalldruckverhältnis von 1 zu 1 Million, und
  • am grossen Frequenzumfang von 20 Hz bis (je nach Alter) 10 oder 20 kHz.

Hervorragend - auch gemessen an modernster Technologie - ist das Auflösungsvermögen des Gehörs: Sogar am Telefon können wir eine Person am Klang der Stimme erkennen, und oft gelingt es, aus einem ganzen Orchester ein einzelnes Instrument herauszuhören und dessen Melodie zu folgen.

Selbstverständlich kann das Hörsystem diese Spitzenleistungen nicht vollbringen, ohne Energie zu verbrauchen. Dies gilt vor allem für die Haarzellen; ihr Energiebedarf hängt von der Schallenergie ab, die im Innenohr eintrifft. Die Energieversorgung der Haarzellen ist aber keineswegs auf die Schallpegel zugeschnitten, die heute auf uns einstürmen; an Maschinen, Verstärker, Lautsprecher oder Kopfhörer ist das Ohr noch nicht angepasst.

Wie kann man den Zustand des Gehörs prüfen? Das Reintonaudiogramm stellt die Hörfähigkeit bei verschiedenen Frequenzen im Vergleich zur Normalhörschwelle junger Personen dar. Falls ein höherer Schallpegel nötig ist, damit die Versuchsperson den Prüfton hört, wird diese Differenz in dB als Hörverlust im Audiogramm nach unten eingetragen. (Bild links) Je höher also die Kurven liegen, desto besser. Wie entsteht ein Gehörschaden und wie wirkt er sich aus? Entgegen einer weitverbreiteten Vorstellung ist das Trommelfell nur gerade bei Explosionen gefährdet. In allen andern Fällen leidet das Innenohr: Bei übermässiger Lärmbelastung nimmt zuerst die Empfindlichkeit der Haarzellen ab, wobei das Gefühl entsteht, man habe Watte in den Ohren. Diese Vertäubung kann, muss aber nicht von Ohrengeräuschen (Pfeifen, Sausen oder Rauschen) begleitet sein. Davon erholt sich das Gehör in ruhigen Phasen wieder. Kritisch wird es, wenn sich solche Überbelastungen häufen: dann nämlich bleibt die Erholung unvollständig, und die Haarzellen sterben mit der Zeit ab. Vorerst geschieht dies im Frequenzband um 4kHz, wo das gesunde Ohr am empfindlichsten ist. Der Verlust betrifft zuerst bei der Sprache nur die Zischlaute und bei der Musik die klangbestimmenden Obertöne und wird deshalb nicht sofort bemerkt. Wenn er sich aber in die Sprachfrequenzen ausbreitet und verstärkt, ist es bereits zu spät, denn weder Operationen noch Medikamente können die betroffenen Haarzellen wieder zum Leben erwecken. Wie äussert sich ein lärmbedingter Hörverlust im Audiogramm? Ein typisches Beispiel ist im Bild oben dargestellt. Es zeigt einen Einbruch von 25 dB bei 4 und 6 kHz. (Empfindliche Personen müssen aber noch mit einer wesentlich grösseren Höreinbusse rechnen.) Von High-fidelity ist also bei einem lärmgeschädigten Gehör kaum mehr die Rede. Die Audiogrammkurve für das lärmbelastete Gehör eines 25jährigen folgt etwa der mittleren Kurve eines 50jährigen ohne Lärmeinfluss. Der Vergleich zeigt, dass ein lärmgeschädigtes Gehör schon frühzeitig „alt aussieht". Neue Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass eine Lärmschädigung auch das Auflösungsvermögen des Gehörs beeinträchtigt.

Das Risiko eines lärmbedingten Hörverlustes hängt vom Lärmpegel und der Einwirkungszeit ab, nicht aber davon, ob man den Schall als angenehm oder unangenehm empfindet. Die Erfahrungen und Grenzwerte betreffend Lärm am Arbeitsplatz gelten deshalb auch für Musik, wie Untersuchungen an Rockmusikern und Mitgliedern von Symphonieorchestern bestätigen. Ihr Freizeitvergnügen kann also den Ohren harte Arbeit bringen, während ein Bürojob dem Gehör Erholung verschafft.

Quelle: SUVA LUZERN „Sicherheit in der Freizeit 84001.d"